"BöSis" beenden ihre Negativserie mit einem 32:28-Heimsieg - Trainer lobt Einstellung und Kampfkraft
Mit vollem Körpereinsatz Zweikampfsieger gegen den bulligen Chris Hellerich im Mittelblock der Schwaikheimer: Der nach seiner Grippe wiedergenesene Markus Schwab ist mit seinem Durchsetzungsvermögen im Team der HSG Böblingen/Sindelfingen eine Bank Fotos: Marco Iker
Toller Handballabend am Murkenbach: Nach einer klasse Vorstellung schickte die HSG Böblingen/Sindelfingen den Tabellendritten SF Schwaikheim mit einer 32:28-Niederlage nach Hause. Die 500 Zuschauer waren restlos begeistert.
Artikel vom 10. Februar 2019 - 16:48
Von Michael Stierle
BÖBLINGEN. "Ein geiles Spiel", meinte Trainer Harry Sommer unmittelbar nach Ende mit einem knitzen Lächeln. "Manchmal täuscht der Eindruck aus den Trainingseinheiten eben doch nicht."
Dabei waren die Voraussetzungen durchwachsen, denn die Mannschaft schleppte eine Negativserie mit 2:10 Punkten ohne Sieg wie einen Rucksack mit sich herum. Für den Trainer kein Problem, das plötzlich vom Himmel gefallen war. "Es war genügend Zeit da, uns auf diese Phase vorzubereiten", so der Württembergliga-Kenner. Sein Rezept dagegen: "Ich habe unter der Woche ein Zeichen gesetzt." Wie das aussah? "Ich habe die Spieler eine Weile kicken lassen. Erst waren sie erstaunt über diese Maßnahme, dann beeindruckt - und schließlich haben sie es mir zurückgezahlt."
Das allein reichte aber natürlich nicht. Eine akribische Vorbereitung auf den ungemein starken Gegner, der physisch noch einmal in einer ganz anderen Liga spielte als die "BöSis", gehörte ebenso dazu wie klare Ansagen. Nicht nur vorher ("ich habe ein bedingungsloses Kampfspiel fast schon eingefordert"), sondern auch in den Auszeiten, in denen Harry Sommer trotz der überbordenden Stimmung gut zu hören war. "Manchmal muss man eben laut werden - nicht immer, sonst verfehlt es seinen Zweck."
Mitausschlaggebend für den Überraschungscoup: das Mitwirken der zuletzt fehlenden Markus Schwab und Dominic Horsch, beide sind schlichtweg nicht zu ersetzen. Auch wenn der Trainer sie nach gerade erst überstandener Grippe in der ersten Hälfte immer wieder sporadisch vom Feld nahm, damit sie in der Schlussphase, der so genannten Crunch-Time, Vollgas geben konnten, war dem Rest der Mannschaft deutlich anzumerken, dass die volle Kapelle beflügelte. Auch und vor allem die Spieler, deren Einsatzzeiten sonst eher überschaubar sind. Marco Wild haute sich voll rein, Marc Petri, der sein bisher bestes Saisonspiel machte, und Patrick Fecker kamen zusammen auf stolze acht Tore. "Wir müssen wechseln können, um unseren Tempohandball durchziehen zu können", gibt's für Harry Sommer dazu keine Alternative.
Dazu war es ganz klar der Abend des Sven Rinderknecht. "Zu solch einem Erfolg gehört auch eine überdurchschnittliche Torwartleistung", hätte der Trainer ruhig etwas euphorischer sein können. Rinderknecht war von Beginn an voll da, blieb gleich in der Anfangsphase Sieger gegen Schwaikheims bulligen Kreisläufer Chris Hellerich, hatte kurz vor der Pause nach zwei starken Paraden Pech, als er das verwaiste Tor des Gegners nur knapp verfehlte, und wurde schließlich in der entscheidenden Phase zum Matchwinner.
Seine Vorderleute verbarrikadierten den eigenen Kreis so gut es ging und düpierten das vermeintliche Schwaikheimer Abwehrbollwerk mit entschlossenen, aber auch sehr durchdachten Aktionen ein ums andere Mal. In der Anfangsphase war vor allem Urs Bonhage nicht zu stoppen, nach dem überraschenden 12:6 nahm Gäste-Trainer Heiko Burmeister seine zweite Auszeit, wechselte den Torhüter und setzte fast konsequent auf einen siebten Feldspieler im Angriff. Das zeigte prompt Wirkung. Zur Pause stand
Aus dem knappen 20:19 ein 26:20 und sogar ein klares 32:23 gemacht
es nur noch 17:13, beim 18:17 und 20:19 war Schwaikheim wieder dran. Die Partie drohte zu kippen, doch den möglichen Ausgleich verhinderte Sven Rinderknecht. Erst hatte er reaktionsschnell die Hand unten, danach fischte er den zweiten Siebenmeter raus. Als dann auch noch Markus Schwab in Unterzahl per Kempa-Trick auf 21:19 erhöhte, waren die Gäste vollends perplex. Auch ohne Urs Bonhage, der nach einem Schlag auf den Ellenbogen vom Feld musste, spielten sich die "BöSis" in einen Rausch. Fecker und Schwab, die den Ball gegen den zurück in seinen Kasten eilenden SF-Keeper unter die Latte hämmerten, Petri und Horsch (2) machten daraus ein 26:20, nach 56 Minuten ein fast schon ungläubiges Staunen, als auf der Anzeigetafel ein 32:23 zu lesen war. Ein bisschen Glück gehörte freilich dazu. Einige Würfe des Gegners, selbst aus bester Position, landeten an der Latte, den Rest besorgte Rinderknecht. "Sie haben vor dem Tor angefangen zu überlegen", so Harry Sommer über sichtlich beeindruckte Schwaikheimer.
Dass sich die HSG in den letzten Minuten noch fünf Gegentore einfing, ärgerte zwar den Trainer, änderte aber nichts an der Top-Mannschaftsleistung mit einem ebenfalls überragenden Regisseur Frederik Toth, der neben Rinderknecht als einziger 60 Minuten lang auf der Platte stand. "Ein Sieg der Einstellung und der Kampfkraft", brachte Sommer den Überraschungscoup auf den Punkt. "Trotz des Hexenkessels wusste jeder, was er zu tun hatte, obwohl der Druck gerade nach der Pause unheimlich hoch war." Um auch gleich auf den nächsten Samstag zu verweisen: "In Bietigheim müssen wir genau die gleiche Leistung abrufen, sonst wird das nichts."
Ein Sieg dort, und der Aufsteiger kann fast sicher von einem zweiten Jahr in der Württembergliga ausgehen.
HSG Böblingen/Sindelfingen: Rinderknecht, Meyer; Petri (4), Hofacker, Horsch (5), Tischner (1), Wild (1), Fecker (4), Bonhage (5), Raff (1), Todt (6/davon 3 Siebenmeter), Demaili, Schwab (4), Heinkele (1).